Statement zur Demo „Gemeinsam gegen rechts“ am 21. Januar 2024

Das Linke Bündnis gegen Antisemitismus München (LBGA) hat gemeinsam mit dutzenden anderen Organisationen zur Kundgebung „Gemeinsam gegen rechts“ am 21. Januar in München mobilisiert. Dem Organisationsteam nach folgten 320.000 Menschen dem gemeinsamen Aufruf. Nur 1992 haben sich mehr Menschen in München gegen eine rechte Revolte auf der Straße versammelt.

Der parteiförmige Ausdruck dieser rechten Bewegung ist die AfD. Die Partei beherbergt völkische, sexistische, homophobe – und nicht zuletzt antisemitische Strömungen, die sie unter ihrem Dach und ihren Organisierungen vereint. Immer wieder hat das LBGA in Artikeln und Vorträgen dargelegt: AfD-Kader verbreiten antisemitische Verschwörungstheorien, fordern ein Ende des Shoa-Gedenkens und äußern sich kritisch über die Erklärung der Sicherheit und Existenz Israels zur sogenannten Staatsräson durch ranghohe Politiker*innen.

An der Kundgebung „Gemeinsam gegen rechts“ hat auch ein Block der Gruppe „Palästina spricht“ mit einem etwa 200 Personen umfassenden Aufgebot teilgenommen. Die Organisation ist in mehreren deutschen Städten aktiv, mit dem Ziel, antizionistische Propaganda in linken Zusammenhängen und in studentischen Milieus zu platzieren.

Den 7. Oktober 2023, den Tag des größten antisemitischen Pogroms seit Ende der Shoa, bezeichnete die deutschlandweite Sektion von „Palästina spricht“ als einen „revolutionäre[n] Tag, auf den man stolz sein muss“. „Palästina Spricht“ unterstellt Israel seit jeher genozidale Absichten und trägt selbst vernichtungsantisemitische „Märtyrer“-Ideologie begrifflich und argumentativ auf die Straße und an die Hochschulen.[1]

In Reaktion auf die Ankündigung von „Palästina Spricht“, an der Demonstration „Gemeinsam gegen Rechts“ im Januar teilzunehmen, fasste das Organisationskomitee den Beschluss, das Thema Nahostkonflikt auf der Demo für unerwünscht zu erklären – und „Palästina spricht“ damit auszuladen. Im Rahmen dieser Kundgebung wäre es nicht abwegig gewesen – wenn schon hundertfach „Nie-Wieder“-Schilder in Luft gehalten werden – auch auf den Pogrom gegen Jüdinnen*Juden in Israel und seine Auswirkungen auf jüdisches Leben in Deutschland aufmerksam zu machen. Allerdings setzte sich „Palästina Spricht“ über diesen Beschluss hinweg.

„Palästina Spricht“ war zwar weder Teil des Organisationskomitees der Kundgebung „Gemeinsam gegen rechts“ am 21. Januar noch auf der Liste der offiziell aufrufenden Organisationen – aber dennoch mit Melonenschildern, Parolen und Kufiya-Tüchern in einem geschlossenen Block auf der Kundgebung stark präsent.

Seitens „Palästina Spricht“ wurde im Nachgang der Demonstration in Online-Medien hervorgehoben, die Organisation habe den einzigen migrantisch geprägten und damit von Rassismus betroffene Block auf der Demonstration gestellt [2], als hätte es unter den schätzungsweise 320.000 Menschen um sie herum keine mit Migrationshintergrund gegeben – und die kein antijüdisches Anliegen auf die Kundgebung getrieben hat. Direkt an der Feldherrenhalle schloss beispielsweise eine Kundgebung von Afghan*innen gegen den Islamismus der Taliban an die Demonstration gegen rechts an.

Der Betroffenheitsstatus kann unserer Auffassung nach auch nur beschränkt dafür hinreichen, eine Gruppe über jede Kritk als erhaben auszuweisen. Niemand käme beispielsweise auf einer Demonstration gegen rechte Verrohung auf die Idee, die türkische Organisation der Grauen Wölfe als Mitläufer*innen zu akzeptieren, nur weil deren Mitglieder in Deutschland auch von Rassismus betroffen sind.

Argumentativ gestützt wurde im Organisationsverfahren und auf der Kundgebung der „Palästina-Spricht“-Block von linken Antizionist*innen aus München, die sich unseren Informationen nach vornehmlich im Barrio Olga Benario treffen. Beteiligt am Block von „Palästina Spricht“ am 21. Januar war zudem die bewegungslinke, trotzkistische Gruppe „Klasse gegen Klasse“. Letztere unterscheidet sich von vielen anderen marxistischen Gruppen dahingehend, dass sie eben keinen klaren Klassenstandpunkt hat, sondern mit kritikwürdigen traditionslinken Mustern (Antizionismus, Befreiungsnationalsmus, etc.) händeringend Anschluss an tatsächliche oder vermeindliche linke und gewerkschaftliche Bewegungen sucht.

Positiv hervorzuheben ist im Gegensatz dazu, dass es undogmatische radikale Linke waren, die sich zuvörderst im Organisationskomitee der Kundgebung darum bemüht haben, eine Beteiligung von „Palästina Spricht“ zu verhindern. Es waren dieselben linksradikalen Antifas, die dem Block von „Palästina Spricht“ vor Ort auf der Kundgebung militant die Grenzen aufgezeigt haben.

Das Linke Bündnis gegen Antisemitismus fordert nicht nur den Ausschluss von „Palästina Spricht“ und „Klasse gegen Klasse“ von zukünftigen Kundgebungen gegen rechts, sondern auch eine wirkungsvolle Praxis, die geeignet ist, dass solche Gruppen tatsächlich nicht mehr auf solchen Veranstaltungen mitmarschieren können. Es kann nicht sein, dass sich Antifas unter Einsatz ihrer eigenen körperlichen Unversehrtheit auf solchen Kundgebungen an Antizionist*innen abmühen müssen. Antifas haben nach unserem Dafürhalten in der Auseinandersetzung mit der aktuellen faschistischen Organisierung eine ohnehin schwere Aufgabenstellung.

Für die Zukunft fordert das LBGA von der radikalen Linken, die benannten Organisationen und jede weitere, die mit ihnen sympathisieren, aus antifaschistischen Initiativen und Demonstrationen auszugrenzen. Vom bürgerlichen antifaschistischen Lager fordert das LBGA, die radikale Linke als relevante gesellschaftliche Akteurin zu behandeln.

Von Marx bis Eribon ist jedenfalls bislang selbst in Deutschland alles feuilletontauglich und deren Positionen können auch legal überall vertreten werden  – auf der Straße, in der Gewerkschaft, in den Parteien, in den Betrieben, am Stammtisch und nachgerade in den Bündnissen gegen rechts – ohne unsachlich als „linksextrem“ diffamiert zu werden.

[1] https://lbga-muenchen.org/2023/11/21/4491/, zuletzt aufgerufen am 26.01.2024.

[2] https://www.instagram.com/p/C2awXSBs2RQ/?img_index=1, zuletzt aufgerufen am 26.01.2024.